Ich will nicht bescheidener sein, als nötig: ja, ich arbeite und lebe in einer Jugendstil-Villa in Neustadt. Ja, ist ziemlich viel Platz und ja, ist ziemlich repräsentativ. Na und? Ich bin immerhin Anwalt. Unten im Erdgeschoss ist die Kanzlei, im ersten Stock ist meine Wohnung und oben unterm Dach, da wohnt … da wohnt eine gewisse Dame, sagen wir mal. Aber darum geht´s ja jetzt gar nicht! Mein Onkel Oscar hatte die Villa in den 60er Jahren von einer steinalten, verwitweten Zahnarztgattin in recht heruntergekommenem Zustand erworben und damals aufwändig saniert und von ihm habe ich sie jetzt geerbt. Gebaut wurde der kleine Palast mit seinen Buntglasfenstern, Türmchen und Fachwerkmauern kurz vor dem ersten Weltkrieg. 1944 hatte sich ein Obersturmbannführer der SS direkt in meinem Büro eine Kugel in den Mund geschossen. Onkel Oscar fand immer, das würde dem Haus ein gutes Karma verleihen. Einen Keller hat die Villa auch. Bisschen gruselig da unten. Das fand ich schon als Kind, wenn ich Onkel Oscar besucht habe. Ich gehe ungern runter. Dort lagern alte Akten und alter Whiskey. Mit beidem habe ich ständig zu tun. Und beides mag ich nicht, genauso wenig wie alte Spinnen. Die gibt´s da auch.
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